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Medienecho

Gänsehautmomente beim Musical „Wüstenblume“.

Ein so schweres Thema wie die Genitalverstümmelung von Frauen als Musical? Gelingt solch ein Stoff? Nach der Premiere der «Wüstenblume» kann man das nur bejahen. Der ergreifendste Moment ist der Song, als Marilyn (Dionne Wudu) schwärmerisch den Zauber der Liebe besingt. Genau dieselben Worte singt Kerry Jean als Waris Dirie, um den Schmerz ihrer brutalen «Frauwerdung» durch eine Rasierklinge auszudrücken. Hier prallen in einem Song zwei Kulturen, zwei Frauenschicksale aufeinander. Diese beiden Kulturen – Europa und Afrika, London und Somalia – immer wieder aufeinandertreffen und sich vermengen zu lassen, ist der rote Faden, der diese farbige, kurzweilige Inszenierung von Gil Mehmert durchzieht. […] Die Musik von Uwe Fahrenkrog-Petersen überzeugt durch virtuosen Umgang mit Pop-Rock-Ideen, vor allem der 80er-Jahre, und noch mehr durch die gekonnte Einfühlung in afrikanische Musik. Auch hier werden Kulturen packend vermengt. Die Musik hat Fluss, ist facettenreich, schenkt dem Hörer eindringliche Balladen. Songs wie «Wüstenblume» oder «Ein Tag in Afrika», mit dem der Abend fast hymnisch startet, könnten echte Ohrwürmer werden. Präsent und konzentriert agiert unter Christoph Bönecker die Musical-Band. […] Das Bühnenbild (Christopher Barreca) lebt von flüssigen Kulissenübergängen. Gekonnt eingesetzte Videos (Austin Switser) verleihen dem Ganzen eine lebendige, aktuelle Atmosphäre, etwa wenn die Schleppen eines Kleides sich in einem Blütenwirbel verwandeln. «Willst Du frei sein, beginne klein», sagt Waris Dirie im Stück. Für die Frau, die zum Topmodel wurde und sich heute weltweit gegen Genitalverstümmelung engagiert, ist die Botschaft des Musicals klar: «Es soll Mädchen und Frauen Mut machen, ihre Wünsche, Träume und sich selbst zu verwirklichen.» […] Sowohl die junge wie die erwachsene Waris Dirie werden engagiert und empathisch gespielt und gesungen von Naomi Simmonds und Kerry Jean. Stimmlich besonders punkten kann im durchgehend stimmstarken Cast Dionne Wudu als Marilyn. Und wie so oft begeistern plötzlich Nebenrollen das Publikum, etwa der Song von O’Sullivan. Der hässliche Alte, mit dem Dirie wegen der Aufenthaltsbewilligung eine Scheinehe eingehen muss, wird von Jogi Kaiser in einem starken Auftritt greifbar. Kraftvoll besetzt ist auch die Rolle der Mutter (Terja Diava) oder von Dana, den Daniel Dodd-Ellis spielt.

Nicht zum ersten Mal beweist St.Gallen, dass es im Musical auch mit einem dramatischen Stoff unaufgeregt umgehen und ihn dem Publikum mit einem hervorragend ausgewählten Cast überzeugen kann. Nachdenklichkeit wie eine begeisterte «Standing Ovation» am Ende gehörten folgerichtig zur Weltpremiere am Samstag in St.Gallen, an der auch Waris Dirie selbst anwesend war. […] Einzigartig wird dieses Musical durch das unglaublich präzise Zusammenspiel von Musik, Stimmen, Bühnenbild, Kostümen, Licht, Ton, Video und Choreografie (mit oft verblüffender Wirkung). Die St.Galler «Wüstenblume» blüht auch als Musical. Sie ist ein Gesamtkunstwerk, das überzeugt und – das zeigt die grosse Ticketnachfrage schon jetzt – kein Stück nur für eine Spielzeit. Der von Herzen kommende Jubel an der Premiere dürfte am Anfang einer Erfolgsgeschichte stehen.

Gil Mehmert hält sich eng an die Autobiografie. Er setzt Diries Leben ohne Kitsch in Szene. Eine versuchte Vergewaltigung, die herzzerreissende Erkenntnis über das, was ihr angetan wurde, ein schwieriger Arztbesuch – es funktioniert auch auf der Musical-Bühne, dank starker Texte (Frank Ramond) und mitreissender Musik (Uwe Fahrenkrog-Petersen, „99 Luftballons“). Das ausschliesslich aus Männern bestehende Leitungsteam schafft Gänsehaut-Momente. Neben Kerry Jean brilliert auch Naomi Simmonds als junge Waris, und die Nebenrollen, etwa Waris‘ Freundin Marilyn (Dionne Wudu), die Modelagenturinhaberin Veronica (Susanna Panzner) und der saufende Scheinehemann O’Sullivan (Jogi Kaiser) sind stark besetzt.

Gil Mehmerts Inszenierung von „Wüstenblume“ über die Lebensgeschichte von Waris Dirie überzeugt, wühlt auf und hallt nach. Die stimmige Komposition von Uwe Fahrenkrog-Petersen wartet mit mehreren Songs mit Hitpotential auf. Eine starke Besetzung rundet den guten Gesamteindruck ab. Dem Theater St. Gallen ist in der Umsetzung dieser tiefgründigen Thematik wiederum eine ausgezeichnete Uraufführung gelungen. Ein Stück, von dem man nur hoffen kann, dass es bald auch an anderen Standorten zu sehen sein wird.

Schauspielerisch und stimmlich passt alles in diesem Cast. Kerry Jean spielt und singt die erwachsene Waris sehr eindringlich, ebenso tut das Naomi Simmonds als junge Waris Dirie. Dieser Abend wirkt nach – die Musik bleibt im Ohr und die Erkenntnis, dass noch heute täglich Tausende von Mädchen körperlich und sellisch verstümmelt werden, setzt sich durch die starke Schlussszene im Hirn fest. Wirklich gutes Musiktheater.

Die stimmgewaltige Amerikanerin Kerry Jean machte der Figur der Waris Dirie, um deren schillerndes Leben es ging, alle Ehre. Sie verkörperte glaubhaft die erst naive, dann wütende und schliesslich kämpfende Frau, die ihren Weg trotz schweren Leids findet. Dirie (Jahrgang (1965) kam nach dem Premierenende persönlich auf die Bühne und klatschte dem Ensemble Beifall. […] Das Theater St.Gallen holte für das Projekt den deutschen Musikproduzenten Uwe Fahrenkrog-Petersen („99 Luftballons“) und den deutschen Regisseur Gil Mehmert („Das Wunder von Bern“). Den beiden gelang es, mit gefühlvoller Musik und einem eindrucksvollen Bühnenbild Gänsehautmomente zu erzeugen.

Das Musical „Wüstenblume“ wühlt auf. Es ist mehr als ein Abend mit einfühlsamer Musik und schönen Texten, mit energiegeladenen Darstellerinnen und exotischem Bühnenbild. Es geht darin um mehr als das Leben eines Nomadenmädchens aus Somalia, das gegen alle Widerstände eine internationale Modelkarriere hinlegt. Das Publikum war auf jeden Fall begeistert und bejubelte die stimmgewaltige Hauptdarstellerin Kerry Jean. Riesenapplaus bekam auch die Frau, deren Leben das Musical erzählt und die am Samstagabend persönlich zur Weltpremiere nach St. Gallen in der Schweiz gekommen war: Waris Dirie. Es ist ein Abend, der starke Frauen feiert.

Diese Vorlage ist keine geringe Herausforderung für eine Regie, aber es ist Gil Mehmert virtuos gelungen, diesen lebhaften Reigen schnell aufeinander folgender Szenen zu arrangieren und schlüssig aneinander vorbei zu bringen. Eine grosse Hilfe ist das sehr bewegliche Bühnenbild von Christopher Barreca, der in der Not auch verspielt witzige Ideen einbringt. – Standing Ovation von einem begeisterten Premierenpublikum, und ein besonders herzlicher Applaus für den Ehrengast Waris Dirie.

Was Gil Mehmerts Inszenierung da hinzaubert, ist Musiktheater vom besten, und Uwe Fahrenkrog-Petersens Komponieren bewährt sich dann noch einmal in der finalen Herausforderung, dem Song „Achttausend“ – die Zahl der täglich betroffenen Kinder. Kerry Jean gibt ihm ohne übertriebenen Nachdruck die Dringlichkeit, für die er geschrieben ist.

Den Stoff, das heisst die Lebensgeschichte von Waris Dirie unter der Berücksichtigung der Mechanismen eines Musicals aufzufächern, ist eine enorme Herausforderung, die Gil Mehmert als Autor und Regisseur bewältigt, indem er mit Frank Ramond, der für die eigentlichen Liedtexte zuständig ist, dichte, qualitätsvolle Dialoge entwirft und für die unfassbaren Qualen und die Gewalt, die das Mädchen erleiden musste, behutsam Bilder entwickelt. […] Kerry Jean entwickelt in der Titelrolle eine starke Aura, hat Stimme, hat Figur, hat alles was es braucht. Die Choreografie ist mitreissend und ideenreich, die optischen Effekte sind gut und reduziert eingesetzt. Das ist treffend gewählt, anrührend, witzig und mitunter mit einfachen Mitteln gut auf den Punkt gebracht. Es geht um eine starke Fau, um eine immens wichtige Botschaft, ihr im Rahmen eines Musicals ein Forum zu bereiten, hat sich in diesem Fall bewährt.